Montag, 18. Juni 2012

Huffington Post Interview mit Sr. Joan Chittester

Huffington Post, 5. Juni 2012 

Paul Raushenbush, Senior Religion Editor, Huffington Post, sprach mit Schwester Joan Chittister, OSB, Erie, Pennsylvania 


Quelle:  www.huffingtonpost.com/paul-raushenbush/nun-vatican-crackdown-sister-joan-chittister_b_1570775.html?ref=religion (eigene Übersetzung) 

Anmerkung des Übersetzers: Schwester Joan ist bekannt als Autorin (über 40 Bücher) und sie hält regelmäßig Vorträge. Sie leitet das Benetvision Center für Spiritualität in der Gegenwart in Erie, Pennsylvania (www.benetvision.org). Sie schreibt regelmäßig für den Nationnal Catholic Reporter und die Huffington Post. Sie war Präsidentin der Leadership Conference of Women Religious LCWR (1976-77), Priorin der Benediktinerinnen von Erie (1979-90).
 

Paul Raushenbush: Schwester Joan, worum geht es hier eigentlich? 

Schwester Joan: Es ist ein feindliche Übernahme, daran habe ich keinen Zweifel. Die 'säubern die Kirche' - alles, nur nicht sich selber.

Paul Raushenbush: Ein Spekulation besagt, dass diese Maßregelung darin ihren Ursprung hat, dass die Schwestern President Obamas Gesetz zur Gesundheitsversorgung unterstützen.

Schwester Joan: Da bin ich mir nicht ganz sicher, aber es scheint mir, dass dies ein Wendepunkt war. Die Stellung der Schwestern zeigt modellhaftes katholisches Denken: eine Sache durchdenken und einen neuen Ansatz formulieren; neue Wege zu finden um Themen zu beeinflussen, die man für wichtig hält.

Teil dieser ganzen Sache ist - ob die in Rom sich darüber klar sind oder nicht - dass bei jeder Frage ganz stark unterschiedliche männlich/weibliche Rollenverständnisse herauskommen: Setz dich hin und halt den Mund! Papa weiß es besser. Wir sagen dir, was du denken sollst. Wir sagen dir, was du tun sollst. Woher soll eine Frau denn das wissen?

Paul Raushenbush: Wie halten die Schwestern diese ganze Sache aus?

Schwester Joan: Da wird viel gebetet und gefastet um die Verantwortlichen der LCWA zu unterstützen. Wir wollen ihnen soviel Unterstützung geben, wie wir können.

Die Schwestern sind sehr besorgt, aber sie wissen, dass die Anschuldigungen jeder Grundlage entbehren. Zum Beispiel: Wie kann Rom von radikalem Feminismus sprechen, wenn sie keine Ahnung haben, was dies überhaupt ist - das ist sehr beschämend. Die Leute, die wirklich wissen, was radikaler Feminismus ist, die horchen verdutzt auf und fragen verständnislos 'Was?' Das ist doch sehr bizarr.

Paul Raushenbush: Es findet ein ernstzunehmender Machtkampf statt. Es scheint, dass Rom die Kontrolle übernehmen könnte.

Schwester Joan: Ja. Theoretisch könnten sie das. Wenn man die Abteilungen der Kurie hierarchisch gliedert, dann ist die Glaubenskongregation die letzte Instanz -- da lässt sich offiziell keine Berufung mehr einlegen.

Ohne Frage ist es ernst - aber es geht auch darum, dass Leute in eine Ecke getrieben werden und das darf man nicht machen. Auch die Glaubenskongregation darf das nicht. Und die Laien wissen das. Wenn diese Kirche noch über Integrität verfügt, dann liegt diese in den Menschen, die den Dienst auf der Straße machen.

Paul Raushenbush: Und das sind die Schwestern?

Schwester Joan: Ja.

Paul Raushenbush: Wenn das so weiter geht - denken Sie jemals daran, die Kirche zu verlassen?

Schwester Joan: Das würde ich nicht wollen. Ich bin katholisch geboren und aufgezogen. Ich habe erkannt, dass Tradition und Institution in der Geschichte der katholischen Kirche oft nicht im Einklang waren.

Die Kirche hatt sich immer nur sehr langsam gewandelt. Das letzte Mal, als man ihr ihre Sünden aufgezeigt hat, brauchten sie 400 Jahre um zu sagen, dass Martin Luther Recht hatte und der Reliquienverkauf falsch war und die Leute die Schrift in ihrer eigenen Sprache und die Worte Jesus selber lesen können.

Es war genau das Gleiche: 'Wir sagen dir, wie du über die Schrift denken sollst, weil du das heilige Wort kaputt machen würdest. Du würdest es nicht verstehen. Du würdest es zerstören.' Wir sind darüber hinweggekommen. Und, so Gott will, werden wir auch über diese Sache hinwegkommen.

Ich sorge mich weniger um die Leute, die sich organisieren, um die Kirche zu verlassen.

Ich fürchte, dass es da draußen eine große Menge an enttäuschten Hoffnungen und an Verzweiflung gibt, und dass die Kirche die Ursache dafür ist.

Jeder spricht davon, dass der Papst ein kleinere, reinere Kirche möchte. Nun, sie haben davon auch schon im 16. Jahrhundert gesprochen. Und sie haben bekommen, was sie wollten - sie haben halb Europa verloren. Jetzt verlieren sie Irland, Österreich und auch die US-Kirche wankt. Die Menschen lieben ihren Glauben aber sie können diese Maßnahmen der Institution nicht mittragen.

Paul Raushenbush:  Was ist eigentlich mit Vatikan II passiert? 

Schwester Joan: Gute Frage. Jemand hat es entführt, als keiner hingeschaut hat. Vielleicht ist jetzt der Moment, wo wir alle entscheiden, was mit Vatikan II passiert ist. Es ist klar, dass es ein Element in der Institution gibt, das Vatikan II zerstören und auslöschen will.

Warum? Weil es die ganze Kirche zur Kirche gemacht hat. Zum ersten Mal in der Geschichte hat Vatikan II den Laizismus als Berufung anerkannt und die Laien haben das ernst genommen. Sie stehen auf, in den Straßen. Sie sagen mit welchen Themen sich die Kirche befassen muss und wo Entscheidungen getroffen werden müssen.

Paul Raushenbush: Ich bin in einer verzwickten Lage, weil ich Protestant bin. Aber viele dieser Frauen inspirieren mich und ich betrachte sie als geistliche Lehrmeisterinnen. Ich habe das starke Bedürfnis diese Frauen zu unterstützen aber viele werden mich kritisieren, weil ich nicht katholisch bin.

Schwester Joan: Wir alle sind Christen und wir alle sind in dieser Sache zusammen. Was dieser Kirche passiert, hat Auswirkungen auf Sie als Christen. Es wirkt sich auf das Bild aus, dass andere weltweit von Christen haben. Wir sind nicht allein in dieser Sache. Die Gläubigen sehen dies ganz genau und dieser Punkt ist für sie sehr klar: Nicht nur weil sie die Schwestern gerne haben oder weil sie die Arbeit schätzen, die die Schwestern machen - nein, die Gläubigen wissen, dass dies der Kirche Schaden zufügt.

Diese ganze Vorstellung, dass man freies Denken unterdrückt und das dann katholisch oder christlich nennt, das dann Verkündigung an Erwachsene nennt in einer erwachsenen Welt - das ist einfach nicht vereinbar. Schreiben Sie als Christ. Schließen Sie sich nicht aus. Ich brauche Sie.

Paul Raushenbush: Nun, viele von uns sind beunruhigt and wir wissen nicht was wir tun sollen, wenn die anderen alle Trümpfe in der Hand zu haben scheinen.

Schwester Joan: Oh ja, kein Zweifel, Menschen werden hier fertig gemacht und zerstört. Und es mag Leute geben, die sie wirklich fertig machen wollen, die sie wirklich zerstören wollen. Entweder Rom will denkende Erwachsene in der Kirche haben, die sich mit ihren eigenen Erfahrungen des Heiligen Geistes zu den Fragen einbringen - ironischerweise liegt darin schon ein großer Respekt für die Institution - oder Rom will es nicht. 

Paul Raushenbush: Ich nehmen an, Sie haben die Kritik an Schwester Margaret Fawley's Buch gesehen?

Schwester Joan: Oh, ja. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie stark mich das getroffen hat. Diese Frau hat ein so großes Verständnis, sie ist so genau, in dem was sie sagt. Ihre Antworten sind außerordentlich. Sie sagte: 'Ich habe niemals gesagt, dass ich katholische Glaubenslehre schreibe. Ich bin Theologin und ich denke diese Themen durch.' 

Wenn jemand alle eigenständige Denker zu Papageien oder Marionetten machen will, dann soll er mir doch bitte nicht mit Respekt vor dem Heiligen Geist kommen.

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